Ueberlegungen

Sonntag, 22. Juli 2007

Heilen spüren

Schon seltsam, welche Gefühle immer wieder im Leben - und das ist ja nun nicht mehr ein sehr junges Leben (!) - neue Erkenntnisse mit einer Vehemenz bringt, die mich fühlen läßt, wie vor langer Zeit, als ich wirklich noch jung war.
So intensiv, so unerwartet war gestern der Wechsel von aufblitzender Traurigkeit und wildwuchernder Freude, als ich mich mit B. getroffen habe, als ich endlich endlich ein Gesicht und vor Allem die leuchtenden, lebensfröhlichen Augen zur bereits vertrauten Stimme dazu hatte.
Die Traurigkeit kam unerwartet und wollte einfach angenommen sein wie ein verletztes Kind. Tatsächlich fühlte es sich so an, als lehnte sie sich an mich und vergrübe ein tränennasses Gesicht in meinem Schoß. Ein kitschiges Bild? Vielleicht, doch genau so war's nun mal und meine Empfindungen jener Traurigkeit darüber, dass ich so lange Zeit (Monate, Jahre jetzt schon) auf so Vieles, das mich in meinem innersten Wesen ausmacht, verzichtet habe, es verdrängt, verleugnet, verraten hatte, dieses Empfinden war gestern, als ob ich meine Arme um die Schultern dieses symbolischen kleinen, verletzen Wesens legen würde, das seinen Kopf in meinem Schoß vergraben hatte und getröstet werden musste. Das war gut, tat gut und ließ die Freude zu, die ich am Dasein, am Sprechen mit B. am beobachten ihrer Gestalt, ihres Gesichts, ihrer Augen, ihrer Gesten hatte. Ein Staunen machte sich breit über das Gefühl von Nähe, das ich so lang vermisst und weit verdrängt hatte, dass ich nicht mehr wusste wie schön sich das anfühlt und in dessen Gravitation ich mich genussvoll ziehen ließ.
Heute ist noch immer eine angenehme Ruhe in mir, als ob man die Erinnerung an eine warme Hand auf der Haut noch lange spürt.
So gesehen, war da ein Schmerz gestern, den ich so nicht kannte, der wohltuend das ersehnte Heilen gar nicht wahrgenommener Wunden anzeigt und einer Freude Platz machte, die Raum für Vieles gibt; für Glück, für Lust, vielleicht für einen guten Anfang!

Mittwoch, 28. Juni 2006

"Der Bär hat seine Schuldigkeit getan. Der Bär kann gehen."

Nachdem er für gute Unterhaltung innerhalb der Sommerlöcher in den weltweiten Boulevardblättern gesorgt hat und die Natur im Allgemeinen und ein Braunbär im Speziellen nicht völlig gefahrlos und politisch korrekt ist, hat Deutschland sich seiner entledigt.
Paßt zu Deutschland, wär' aber in Österreich genau so gelaufen.
Auch hierzulande gab es bereits eine Abschußentscheidung. Geklappt hat's nur deshalb nicht weil es in Österreich nicht möglich ist innerhalb von 2 (in Worten: zwei!) Wochen eine Sondergenehmigung für einen Abschuß von den zuständigen Behörden in Tirol zu kriegen. Inzwischen war er wieder in Deutschland was ihm leider nichts genutzt hat.
Ich habe die ganze Sache nur sehr sporadisch beobachtet, was da aber an Blödheit, Unwissen und Dummheit auf der einen Seite, an Ignoranz, Show und politischer Angst und Feigheit auf der anderen Seite zu sehen, lesen und hören war ist viel beängstigender als jeder freilebende Bär.
Es ist nun keine Katastrophe, dass es einen Bären weniger gibt, die Begründung mit Gefährdungspotenzial rechtfertigen aber weder die ganze Hysterie noch einen sofortigen Abschuß.
Dass im Zusammenhang mit dem Bärenabschuß von 'staatlichem Mord' gesprochen wird ist einfach daneben - (...ähm wieviele Kinder verhungern während ich diese Zeilen schreibe, auf Grund vorsätzlicher, strategischer Wirtschaftsmaßnahmen bzw. unterlassener Hilfeleistung??) - von einer Notwendigkeit zum Schutz der Leute vor Allem und Jedem, genau so!
Einen guten Artikel zum Thema der es wert ist, darüber ernsthaft nachzudenken habe ich in DIE ZEIT gefunden:

http://www.zeit.de/online/2006/26/Bruno-Nachruf

Dienstag, 24. Januar 2006

Geile Worte

Für Freunde sozialpornographischer Formulierungen sicher ein gefundenes Fressen,
ein "echt geiles Wort": "Entlassungsproduktivität".

"Entlassungsproduktivität" wurde zum 'Unwort' des Jahres gewählt.
Zurecht. Menschen die solche Begriffe in ihrem täglichen Arbeitsalltag integriert haben, die es möglicherweise sogar erfunden haben, Menschen die "Entlassungsproduktivität" mit jener Selbstverständlichkeit handhaben, wie etwa ein Kellner sein Tablett trägt, wie viel Würde haben die (noch)? Was haben die gelernt und von wem? Hatten die jemals Würde? Was müssen die erlebt haben oder was muss denen fehlen?

Einmal ganz davon abgesehen, dass eine solche menschenverachtende Geschmacklosigkeit, Stillosigkeit erster Güte ausdrückt, ist diese Wortschöpfung einfach hirnloser Unsinn. Das Wort Produktivität läßt darauf schliessen, dass etwas Neues geschaffen, eben produziert wird. Mit Entlassungen wird aber nichts produziert, nichts geschaffen. Vielmehr wird vernichtet. Ressourcen, Solidarität, Sicherheit, Produktivkraft, Konsumkraft, Kultur etc.
Wer das mit Produktivität (anstatt Destruktivität) in einen Sinnzusammenhang stellt, denkt wohl nicht nur pervers im lateinischen Wortsinn von verdreht, verkehrt.
Wer "Entlassungproduktivität" betreibt oder vertritt, zeigt nicht nur marktschreierisch welch' Geistes Kind er/sie ist, der disqualifiziert sich doch auch selbst völlig. Wie arm an Geist, wie arm an Ideen muss man denn sein, wenn man Gewinne nicht mehr durch Arbeitsproduktivität und Innovation erwirtschaftet sondern durch das bloße Einsparen von Kosten?
Und mir ist klar, dass das nicht erst bei "Entlassungsproduktivität" beginnt. Viel eher scheint das der eigentliche und oft einzige Kern der "Erbsenzählermentalität" einer ganzen Generation von Controlern, Marketingassistenten, Betriebswirten, Consultants etc. zu sein. Willfährige Erfüllungsgehilfen einer Kaste von Shareholdern, deren überproportional hohe Einkünfte aus nicht produktivem Einkommen, lukriiert aus der strategischen Verminderung ja Vernichtung vieler Millionen produktiver Einkommen, besteht.

Ich behaupte nicht, dass alle Menschen dieser Berufsgruppen, in diese Kategorie zu zählen wären. Auch dort gibt es Menschen die Ihre Fachkompetenz noch mit Fantasie, visionärer Innovationskraft, mit Rückgrat und Werten vervollständigen, um nicht das altmodische Verb veredeln zu gebrauchen. Menschen die anstatt Destruktivität Konstruktivität besitzen, ein Wort, das nicht umsonst eng verwandt mit Produktivität ist. Die rasend schnell voranschreitende, erfolgreiche globale Umverteilung von unten nach oben zeigt jedoch, dass es nicht nur wenige Ausnahmen sein können.

Wie wär's also mit der Entwicklung einer aussagekräftigen Messgröße für Arbeitsprodukivität und Innovationskraft von Management-, Controling- und ähnlich positionierten Jobs? Eines "Stakeholdervalue-Index" sozusagen.
Ganz im Geiste obiger Wortschöpfung würde ein solcher Wert sicher bald einen klingenden Namen tragen wie zum Beispiel MKM (manager killing marker), am besten gespeichert als einstellungsrelevanter Index in den Personalportfolios von "Spitzenkräften" bei allen namhaften Headhuntern. Vielleicht würde sich ja rasch zeigen, dass ein solcher MKM, im Personalmanagement großer Konzerne, konsequent umgesetzt, ein ähnlich "attraktives Produktivpotential" wie die massenhafte Entlassung von Arbeitern und Angestellten beinhaltet und das mit quantitativ viel geringerer Ressourcenvernichtung.

Gut möglich, dass unsere krank gejammerten und krank gesparten Volkswirtschaften in Mitteleuropa ebenso, wie die Wirtschaftsunternehmen gesünder und konkurrenzfähiger da stünden, wenn "Manager Killing Marker" das Unwort des Jahres wäre. Jedenfalls würden Unternehmen ihren Namen wieder verdienen, wenn sie anstatt Gewinnmaximierung durch Destruktion wieder Gewinne machten, weil sie von
arbeitsproduktiven, innovativen und von Werten motivierten Menschen mit Rückgrat und Risikobereitschaft (das alles beinhaltet unternehmen nämlich) geführt, geleitet und kontrolliert würden und nicht wie geschlagene Hunde mit eingekniffenen Schwänzen, demütig und willig jedem perversen Shareholderinteresse bedingungslos folgten.

Freitag, 7. Oktober 2005

Freiheit

Auf meinem Lebensweg habe ich Stück für Stück meinen Glauben an Gott oder eine höhere Macht verloren. Nach und Nach habe ich dafür meinen Glauben an mich und meine Kraft gefunden.
Lange habe ich noch nach einem neuen Halt gesucht und mich auf viele Glaubensrichtungen eingelassen. Alle haben mir nicht den Halt gegeben, den ich mir gewünscht hätte und keine hat die Welt wie sie ist erträglicher oder besser gemacht (eher enger) und ich habe daran gelitten.
Es war, wie eine Krücke, die zerbrochen ist und eine neue, die wieder kaputt gegangen ist an der Wirklichkeit. Bis ich gespürt habe, dass mein Gang kräftiger wird, je weniger ich mich auf eine Krücke stützen kann.
Und noch lange hatte ich ein schlechtes Gewissen irgendwem oder irgendetwas gegenüber, ausserhalb von mir.
Jetzt geniesse ich den aufrechten Gang, der uns zu Menschen macht, liebe die Freiheit und trage die Selbstverantwortlichkeit gerne.
Mein Leben ist so viel leichter geworden in der Welt, wie sie ist, und meine Ansprüche nicht kleiner. Ich aber bin gelassener und sicherer.
Ein Gott fehlt mir so wenig, wie ein alter Schuh der zwar bequem aber nicht mehr gesund war. Barfuss gehen lässt mich das Leben besser spüren;) Nichts, was mir früher wichtig war, hat seinen Wert verloren und in der Welt und für andere Menschen gelingt mir heute mehr davon, im Vertrauen auf meine Stärke, als früher im Vertrauen auf eine Macht ausserhalb von mir. Es gibt weiterhin Ereignisse in meinem Leben, die meine Kraft übersteigen, aber das ängstigt mich nicht mehr. Es darf sein und ich vertraue meinem Leben, auch wenn es gelegentlich ungerecht ist und beschissen. Es ist genauso immer wieder überraschend schön, grosszügig und lebenswert. Das genügt. Vor allem brauche ich nicht mehr irgendwo nach einem Sinn oder nach Trost oder nach Hoffnung zu suchen. Ich beschränke mich aufs Finden all dieser Dinge in mir und im Kontakt mit anderen Menschen. Das ist vielleicht der wichtigste Gewinn, dass mir all die Energie, die ich früher in die schwarzen Löcher von Ungewissheit und offenen Fragen investiert habe, für mein Leben und für das Zusammensein mit anderen Menschen zur Verfügung steht.
Ich glaube immer noch an verschiedene Dinge, die für mich Sinn machen und hilfreich für mich und das Zusammenleben mit anderen Menschen sind. Zum Beispiel glaube ich, dass diese Lebenseinstellung, als Gewinn und Folge der Aufklärung, eine der besten Schöpfungen der Menschen of "good old europe" ist und dass wir aufhören könnten, alles krank zu jammern und uns lieber unserer Freiheit und Kraft bewusst zu sein, anstatt uns zurück zu flüchten in Abhängigkeiten und Schuld, was alle fundamentalistischen Glaubensbestrebungen und machtpolitischen Strömungen tun.
Ich wünsche mir Menschen, die das ähnlich sehen und spüren, die mir sagen, was sie glauben und die bereit sind, gemeinsam mit mir und vielen gleichgesinnten, die Ärmel hochzukrempeln und anzupacken, wo immer es sinnvolles zu tun gibt, und die dabei die Lust und den Mut ebenso schätzen wie ich. Also, wer immer das liest: schreibt mir eure Erfahrungen oder eure Standpunkte.

Mittwoch, 5. Oktober 2005

Träume

"Ich würde so gerne wieder einmal einen sehnsüchtigen Traum Wirklichkeit werden lassen", dachte ich beim Autofahren heute am Morgen, während ich Forgiving aus Pat Methenys A Map Of The World gehört habe.
"Und warum mache ich das nicht einfach?", frage ich mich die ganze Zeit seither.

Mittwoch, 14. September 2005

"Schachtelhumor"

Ich liebe Humor, und ich liebe Trickfilme. Früher noch die handgezeichneten Disneyfilme oder noch mehr: "La Linea" oder "Herr Rossi sucht das Glück". Besonders gerne sehe und höre ich auch "Pink Panther", wobei ich hier die gereimten Kommentare sehr schätze. Seit wenigen Jahren gibt es nun vollständig im Computer animierte Filme, die in ihrer Qualität immer besser werden. Da gehören zu den Highligts "Shreck" und "Das grosse Krabbeln" (siehe linke Menüleiste). Den habe ich gestern auf DVD gesehen. Besonders schön fand ich die Bonusfeatures auf der Deluxe Edition. Dort findet man auf der zweiten DVD Interviews mit den Animatoren, Regisseuren und Produzenten und unter Anderem auch die "verpatzten Szenen". Da kollidiert der aufgeregte PT Floh mit der Kamera, kippt nach hinten um und hinterlässt einen Fleck auf der Kameralinse. Man sieht ein Mikro ins Bild hängen oder die Kamera fällt um, das Bild dreht sich zur Seite und man hört die Figur sich entschuldigen. Natürlich gibt es bei einem animierten Film keine Kamera, keine Linse und keine "Patzer".
Thomas Schuhmacher, der Präsident der Walt Disney Feature Animation sagt dazu im Interview: "Das ist für mich Humor im Humor. Das ist lustig." Schön an diesem verschachtelten Humor finde ich, dass die menschlichen Fehler, der Humor, das Lachen über ein Missgeschick, das vermutlich so alt ist wie die Menschheit, offensichtlich auch in eine völlig virtuelle Ralität, die diese Fehler gar nicht hätte, hinein gehören, damit sie der Wirklichkeit ähnlich ist, damit sie uns Menschen entspricht. Das heisst, dass wir Menschen, wo es nur Perfektion als Ergebnis gibt, Fehler und Humor künstlich produzieren und damit einer virtuellen Welt, den Charme geben, den unser nicht perfektes Dasein ausmacht.
Ein tröstlicher Gedanke, wie ich finde.
Im Urlaub habe ich einen ganz anderen Film gesehen, dem ich hier ebenfalls ein paar Zeilen widmen möchte. Nämlich Sin City von Robert Rodriguez nach dem gleichnamigen Comic von Frank Miller. Der hat mit dem vorhin beschriebenen Film gemeinsam, dass die Technik, die dahinter steht ebenfalls sehr ausgefeilt ist und auch hier der gesamte Film in einer virtuellen Welt spielt. Allerdings mit realen Schauspielern. Inhaltlich geeignet nur für Leute mit gutem Magen und solche, die einer schrägen SM-Erotik etwas abgewinnen können. Ein Streifen, der jedenfalls ein Meilenstein in der Filmgeschichte ist, weil er der erste vollständig im Computer animierte Comicfilm ist.

Mittwoch, 31. August 2005

Man sollte...

...täglich ein gutes Kunstwerk betrachte, einen guten Text lesen und einen schönen Song hören, oder selber singen und jedenfalls ein Mal gelacht haben sowie etwas getan haben, auf das man stolz sein kann.
Das sagt eine "alte Weisheit". Nun denn, mal sehen, ob ich das heute schaffe? Den Beginn soll ein Bild machen, das mich berührt. Das Bild ist von Johannes Vermeer (1632 - 1675), heisst Mädchen mit Perle, und befindet sich im königlichen Gemäldekabinett Mauritshuis, in Den Haag. Gerne möchte ich dieses Bild einmal in natura sehen. Zu diesem Bild gibt es einen wunderschönen Film (siehe meine Empfehlung im Menü links) über den ich bereits hier geschrieben habe. Hier ist auch der Link auf die Filmseite zu finden. Am Film hat mich fasziniert, wie sehr die Hauptdarstellerin, der Frau auf dem Bild gleicht. Was mich an dem Bild fasziniert, ist die Schönheit, die Ruhe und die Lebendigkeit, die es ausstrahlt und ehrlich, sind die Farben nicht umwerfend - nach mehr als 300 Jahren!?
Heute einen schönen Text zu finden ist derzeit nicht schwer. Am Abend werde ich es wieder geniessen in "Die Stille ist ein Geräusch" zu lesen und dabei über die einzigartige Ausdrucksweise staunen, die Juli Zehs Reisebericht durch Bosnien-Herzegowina zu einem Reiseerlebnis in meinem Kopf, wie auf einen anderen Planeten, macht. (Siehe meine Leseempfehlung)
Jetzt braucht es für heute nur noch einen schönen Song. Well, Let It Die von Leslie Feist, ist ein wunderschöner Song, den ich gerade höre. Nicht nur wegen der sehr schönen, erotischen Stimme, sind alle Nummern von der gleichnamigen CD immer wieder ein besonderer Ohrenschmaus. Wie es mir mit etwas, auf das ich stolz sein kann, heute ergeht, werde ich später oder in meinem nächsten Eintrag hier erzählen. Falls doch noch gelegentlich jemand hier vorbeikommt würde mich interessieren, ob ihr die Musik, Bilder, Filme, die ich hier beschreibe kennt, wie und warum sie euch gefallen oder nicht gefallen?

Donnerstag, 18. August 2005

Basale Lebenserfahrung - Trauer

Heute will ich mir hier ein paar Gedanken über Trauer, Leben und Tod machen.
Der Anlass ist, dass am vergangenen Samstag unser Kater eingeschläfert werden musste und ich die Entscheidung über Leben oder Tod treffen musste - unvorbereitet und s e h r schweren Herzens. Der Kater war noch jung, kaum älter als ein Jahr und kerngesund, und im Vergleich auch zu früheren Haustieren überdurchnittlich zärtlich und zutraulich. Er hatte sein eigenes Katzentürl und konnte daher jederzeit nach draussen. Meistens hat er aber bei uns im Bett geschlafen, hat sich morgens dazugelegt und auf eine sehr "menschliche" Weise den Kopf auf den Kopfpolster gelegt und einem in die noch verschlafenen Augen geschaut. Wenn er von draussen wieder hereingekommen ist, hat er sich durch lautstarkes Miauen bemerkbar gemacht. An diesem Samstag morgen hereingekommen, hat sehr laut gemaunzt, ist dann aber nicht ins Schlafzimmer über die Treppe heraufgekommen sondern hat sich im Sitzkorb ein Plätzchen gesucht. Erst als ich die Katzendose für ihn aufgemacht habe und er nich sofort dahergeschossen kam, wussten wir, dass etwas nicht stimmen konnte.
Gino konnte nicht mehr auf das linke Hinterbein steigen. Es war nur eine kleine, unscheinbare Wunde an der Hüfte zu sehen.
Also auf zum Tierarzt. Das Autofahren liebte Gino nie, deshalb habe ich ihm beruhigend zugeredet auf dem Weg zum Tierarzt. Ich dachte mir nicht viel dabei. Ein Beinbruch ist keine dramatische Sache für eine gesunde Katze. Der Tierarzt schaute sich die Wunde an. Wie gesagt, nichts Grosses. Dann hat er Gino sediert und ein Röntgen gemacht. Das ergebnis war ein Schock für mich. Das Röntgen zeigte einen völlig abgebrochenen Oberschenkelknochen ganz oben direkt an der Gelenkskugel und das Stück Hals das an der Kugel noch dran war, war wie der Knochen selbst längs gebrochen und in zwei Teile zersplittert.
Ich habe mit dem Tierarzt, der sehr verständnisvoll und klar war, alle Möglichkeiten durchgesprochen. Der traurige Schluss: Es gab keine Möglichkeit den Knochen mit dem zerschmetterten Halsteil an der Kugel wieder zu verbinden (absolut keine Angriffsfläche für Schrauben, Nägel oder Platten). Eine Amputation so hoch am Bein nicht möglich. Die Chance, dass die Knochenteile irgendwie wieder zusammenwachsen und das Bein halt nicht mehr funktioniert, sehr gering und jedenfalls vermutlich nie schmerzfrei.
Also die Entscheidung Gino nicht mehr aufwachen zu lassen. Ich habe ihn wieder mitgenommen, aber alle meine Versprechungen auf der Hinfahrt waren nicht wahr gewesen. Die gesmat Heimfahrt habe ich geheult, bitterlich. Das mag manchen übertrieben erscheinen für eine Katze. Es war ja kein Mensch. O. k. ich bin auch nicht gerade sentimental, aber zu diesem Tier war eine stärkere Beziehung entstanden, als mir bewusst war. Und es ist einfach ein Verlust und der tut weh. Für meine Freundin war's noch schlimmer. Einen ganzen Tag waren wir wirklich sehr traurig. Eine Menge Tage fehlt er uns nun schon. Es ist (zu) still im Haus. Keine morgendliche Begrüssung und kein Schnurren mehr. Das fehlt, das schmerzt.
Besonders weil Mimi unsere zweite Katze erst vor ein paar Wochen auch verschwunden ist und nicht mehr nach Haus kam.
Ich habe mir Zeit genommen in den letzten Tagen und mir Gedanken gemacht zu meinen bisherigen Erfahrungen mit Tot und Verlust und Schmerz - und es gab einige davon. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ein Verlust für sich keinen Sinn macht. Nachdem ich an keinen Gott und keine Vorsehung glaube, ist auch da kein Trost zu holen. Es ist einfach eine Tatsache, die zum Leben dazugehört. Verlust, Tod, Schmerz, Trauer und es ist egal, ob es sich dabei um einen Menschen oder ein anderes Lebewesen handelt, zu dem man eine emotionale Beziehung hat. Es gibt nur die Möglichkeit das hinzunehmen ohne verbittert zu werden ohne zu lange im Leiden zu verharren.

WIE MACHE ICH DAS?

Es sind drei Dinge die ich gelernt habe und die ich tue wenn mir Abschied, Verlust, Schmerz, Tod, Trauer begegenen:

Im Moment, wenn so etwas passiert, das DASEIN, das Etwas-oder-jemanden-nicht-allein lassen, oder eine Handlung setzen, pflegen, helfen, trösten, Verantwortung übernehmen, obwohl oder vielleicht gerade weil ich selbst auch in einer Notsituation bin, emotional.
Jedenfalls dableiben, handeln, nicht davonlaufen, hinnehmen, was ist. Damit kann ich etwas sinnvolles oder tröstliches für jemanden in einer Abschiedssituation TUN. Und ich erlebe meine eigene (Lebens-)Kraft, dass mich kein Schmerz umbringt, dass ich nicht machtlos bin, immer irgendwas tun kann, solange ich am Leben bin.

Als zweiten Schritt gilt es den Schmerz, den Verlust, die Trauer, die Wut, die Ohnmacht ANZUNEHMEN, auszudrücken und nicht zu verdrängen!
Dabei kann ich viel über meine Fähigkeit zu fühlen und zu empfinden entdecken und es muss und soll raus.


Als dritten Schritt erinnere ich mich und lenke meine Aufmerksamkeit auf diese Erinnerungen. Ich kann mich an das Schöne das ich erlebt habe, bekommen habe oder geben konnte, erinnern, oder an das Schlechte. DIESE WAHL HABE ICH ZU JEDEM ZEITPUNKT, IMMER SELBST. Wenn ich mich an das Schöne erinnere oder an das, was ich aus dem nicht Schönen lernen konnte, dann gebe ich selbst der Zeit mit dem Menschen oder Tier und den Erlebnissen einen individuellen Sinn.
Darüber muss ich mir bewusst machen, das alle Erinnerung Vergangenheit ist und es keinen Sinn macht, mich nur mehr damit zu beschäftigen. Und was ich gelernt habe - von oder durch einen Menschen oder ein Tier - macht nur Sinn, wenn ich es im Jetzt für eine angenehmere Zukunft umsetze und wenn ich neue Beziehungen eingehe.
Damit wende ich mich wieder dem Leben zu. WEIL ES DAS IST, WAS WIRKLICH IST, SOLANGE WIR DA SIND und die Auseinandersetzung mit dem Tod nur zum Gehen der beschriebenen drei Schritte Sinn macht.

Wie lange diese Schritte dauern (besonders das Trauern und das Erinnern) ist abhängig von meiner emotionalen Stärke, meinem Mut und von der Dauer und Tiefe der emotionalen Bindung. Meine Erfahrung ist die: je intensiver und ehrlicher ich mich meinen Gefühlen stelle, je besser ich einen Weg finde, sie mir zuzugestehen und adäquat auszudrücken, desto schneller kann ich den dritten Schritt machen.

Das ist es, was mir klar geworden ist zum Thema Verlust, Schmerz und Trauer.
So braucht niemand verzweifeln und es IST GUT möglich, schlimme Verluste zu bewältigen ohne zu verzweifeln, trotzdem das Leben zu lieben und mutig neue Herausforderungen zu bewältigen ganz ohne Gott und Teufel!

gino

Montag, 25. Juli 2005

Wir haben genug.

Heute habe ich schlicht ein paar Empfehlungen. Ein Artikel in der Zeit, der meiner Ansicht nach das Dilemma des Kapitalismus prägnant und scharfsinnig auf den Punkt bringt. Was ich nicht verstehe, ist, warum es so wenige Journalisten und andere Menschen des öffentlichen Lebens gibt, die sich bei aller Offensichtlichkeit, überhaupt nicht mit diesem für uns alle zukunftsbestimmenden Thema auseinandersetzen.
Dabei wäre es höchst an der Zeit, scheint doch seit Marx niemandem mehr etwas eingefallen zu sein, das dem galoppierenden Wahnsinn des "reinrassigen" Kapitalismus eine ernstzunehmende Alternative entgegensetzen könnte. Und die werden wir dringend brauchen.
Wir haben genug. Wir brauchen nichts mehr. (Die Zeit Nr. 28/2005)
Damit es aber hier nicht zu ernst wird, hier - noch mal aus "Die Zeit" - ein Beispiel für Ironie über Belanglosigkeiten auf hohem sprachlichem Niveau. Das ist tatsächlich ein sommerliches Hörvergnügen zum füllen geistiger Sommerlöcher. (siehe Podcastempfehlung "Audibleblog - Die Zeit", im Menü links unten)
PS: Um es wieder Mal erwähnt zu haben: Eure Meinung zu den Artikeln oder Podcasts würde mich ebenso interessieren, wie zu meinen Zeilen hier.

Mittwoch, 8. Juni 2005

Wunderleer?

Schon wieder ist es ein Text von "Wir sind Helden", der mich heute sehr nachdenklich macht. Die Zeit heilt alle Wunder.
Nein, ich will nicht, dass die Zeit alle Wunder heilt. Jahre, Jahrzehnte lang, ist es mir doch gelungen, mich erfolgreich dagegen zur Wehr zu setzen. In letzter Zeit ist das Kämpfen schwerer geworden. Zu halsstarrig scheint der Alltag (zu oft in Gestalt meiner Liebsten) zu sein, als dass er/sie sich noch den Kopf verdrehen ließe. Und das schmerzt, kostet viel Energie.
Energie und Lebensfreude, die ich besser einsetzen würde, um über Hunde oder die eigenen Zehen zu lachen.
Deshalb damit das klar ist: ich werde mich weiter gegen diese Art von Heilung wehren, werde nicht warten, bis ich nichts mehr spüre und ich verspreche hier und heute, dass ich nicht vergessen werde, das Feuer zu schüren. Und: ich will niemals zu erwachsen werden, um nicht immer wieder auf die Knie zu fallen, um noch ein Wunder zu sehn!
Unterstuetzung für Daenemark u. Flagge

Freiheit

Für das Recht auf freie Meinungsäusserung und Demokratie haben unzählige Menschen vor uns ihr Leben verloren! Lasst uns unser möglichstes tun, um diese Freiheit zu verteidigen und zu nutzen!

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